(provenance) research in progress

Der internationale Tag der Provenienzforschung 2021

Als wichtiger Bestandteil seiner Öffentlichkeitsarbeit hat der Arbeitskreis Provenienzforschung e.V. am 10. April 2019 erstmals mit einem Tag der Provenienzforschung auf die gesellschaftliche und wissenschaftliche Relevanz der komplexen Arbeit der international vernetzten Provenienzforscher:innen aufmerksam gemacht, um die vielfältigen Fragestellungen und Methoden dieses Forschungsbereichs erklären und vermitteln und sich dabei vor allem auch den interessierten Fragen eines möglichst breiten Publikums zu stellen.

Im Rahmen von Führungen, Präsentationen, Ausstellungen oder anderweitigen Aktionen geben Kulturinstitutionen und Forschende aktuelle Einblicke in die unterschiedlichen Wege, Möglichkeiten oder Problemkonstellationen bei der Erforschung der Herkunft von Sammlungen und Objekten.

Der Tag der Provenienzforschung wird zukünftig einmal jährlich, jeweils am zweiten Mittwoch im April stattfinden. Der Hashtag #TagderProvenienzforschung begleitet die einzelnen Aktionen auf Twitter.

 

Wie geht eigentlich Provenienzforschung?

Am internationalen Tag der Provenienzforschung 2021 habe ich einen Einblick in meine Arbeit als Provenienzforscherin geboten: Was ist eigentlich Provenienzforschung? Welche Schritte beinhaltet sie? Warum ist sie für ethnologische Museen so wichtig?

 

 

BILD: yagmur karakis

 

Was ist Provenienzforschung?

Provenienzforschung findet an Institutionen, bei Privatpersonen, und im akademischen Bereich statt. Sie kann durch intrinsische Impulse proaktiv und bei externen Anregungen wie Rückgabeforderungen, reaktiv stattfinden. Es geht um die Herkunft von Objekten, einschließlich ihrer Herstellung, ihrer verschiedenen Nutzungskontexte und Bedeutungen, Besitzwechsel und -umstände.  In Deutschland wird Provenienzforschung institutionell vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste koordiniert. In den vergangenen Jahren wurde das Studium zur Provenienzforschung an deutschsprachigen Universtäten in Form von Modulen, Masterstudiengängen und durch Juniorprofessuren etabliert.  Überwiegend NS-Provenienzforschung zu verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, Provenienzforschung zu Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten oder Provenienzforschung zur Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der DDR (1945 bis 1990).  Die Bereiche beziehen sich in verschiedener Weise (nicht) auf Zeiträume, Räume, Personengruppen und/oder Objektgruppen. Daraus erfolgen methodische Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die das Auffinden und die Erforschung von Objekten bestimmen. Die Aufteilung zeigt, dass interdisziplinäre kontextbezogene Kenntnisse erforderlich sind und dass eine Definition, die nicht schon einen Bezug zu den verschiedenen Bereichen vornimmt, schwierig ist. Der Rahmen, in dem Provenienzforschung in den unterschiedlichen Gebieten stattfindet, ist von den historischen Kontexten, dem verfügbaren Material und den heutigen Bezug und Umgang mit den unterschiedlichen Kontexten geprägt.

Ich werde mich also hier lediglich auf die Provenienzforschung in kolonialen Kontexten, noch spezifischer an ethnologisschen Museen und um ganz genau zu sein auf die Bestände des RJMs aus dem Sammlungsbereich „Afrika“ beziehen. Auch hier ist es wichtig zu betonen, dass auch in diesem Sammlungsbereich die Kontexte sehr divers sind – so wie die Gesellschaften und Geschichten des Kontinents sehr divers sind – und das historisch wie aktuell. Deshalb vermeiden Sie das bitte, die Infos, die ich später zu den konkreten Regionen bzw. Konvoluten gebe, auf andere Regionen oder Sammlungen Afrikas zu verallgemeinern.

 

Mein Projekt

Meine Aufgabe ist es, ein Konzept dafür zu entwickeln, wie das RJM die Provenienzen aller Sammlungsbestände erforschen könnte. Ziel: PF nicht erst als Reaktion auf Restitutionsforderungen durch langwierige Prozesse durchzuführen, sondern proaktiv zu handeln. Wissensbestände und politische Diskurse ändern sich; so könnte es sein, dass Objekte aus Regionen Gegenstand von zukünftigen Restitutionsdebatten werden, die heute keine Ansprüche in diese Richtung erheben. Außerdem geht es hier um eine eigene Ethik.

 

BILD: Yagmur Karakis

 

Koloniale Kontexte

Eine ähnliche Vereinbarung von soft-laws wie die Washingtoner Prinzipien fehlt in Bezug auf Sammlungsgut zu kolonialen Kontexten. Angesichts der sehr komplexen und nicht immer klar definierten Zeiträume, Orte, Akteur:innen sowie Betroffenen von kolonialen Kontexten ist es jedoch fraglich, wie eine solche Vereinbarung aussehen könnte oder wirksam wäre. Doch auch hier haben Restitutionsforderungen von Personen aus ehemals kolonisierten Ländern vereinzelt zu Rückgaben, zu Debatten und zu Forschung geführt. Außerdem folgten in den Jahren 2018 und 2019 politische Erklärungen  und ein Leitfaden des Deutschen Museumsbundes zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Die letzte Ausgabe erschien im Frühjahr 2021.

In der öffentlichen Wahrnehmung stehen dabei vor allem ethnologische Museen aufgrund der historischen Verwicklung zu kolonialen Kontexten im Vordergrund.   Der Leitfaden zeigt nicht nur koloniale Kontexte zu ethnografischen Sammlungen, sondern auch zu naturkundlichen, archäologische und technischen/technologischen Sammlungen.  

Provenienzforschung zu Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten beinhaltet die Beschäftigung mit einer Vielfalt an Akteur:innen, Objekten und daraus folgenden Erkenntnissen. Die Erwerbsformen reichten von Handel, Tausch, Geschenken bis hin zu Betrug oder zur Zwangsabgabe unter Bedrohung sowie gewaltvollem Raub.  Sie fanden fast immer in einem Rahmen von asymmetrischen Machtverhältnissen statt.  Beim Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten ist, wie bei NS-Provenienzforschung, demnach die Frage nach dem Erwerb und die reaktive Provenienzforschung bei Restitutionsanforderungen ebenfalls eine Priorisierung bei der Bearbeitung.  Weitere Ansätze, nach dem Leitfaden des Museumsbunds zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten, ist die Bearbeitung von Objekten, wo „es bereits Kontakte zu Experten und Communities der Herkunftsländer gibt“, „Objekte mit Bezug zu lokalen Akteuren und lokaler Geschichte am Standort des Museums“ oder „Objekte aus ehemaligen deutschen Kolonien“.  Diese Ansätze zeigen bereits Eingrenzungen von Zeiträumen und Räumen sowie Personengruppen.

 

Wie mache ich das?

alle Dokumetationsmedien nebeneinander lesen

a.  Konvolutbücher, Inventarbücher, Karteikarten, Konvolutakten, Datenbank

  1. einzelne Übertragungsfehler bzw. Lücken:
  2. Handschrift falsch übertragen: z.B. „Züngraff“ statt „Zintgraff“ oder „Baua“ statt „Bana“
  3. Vorbesitzer*innen nicht immer übertragen
  4. Im Konv.-Buch nur Großregion, im Inventarbuch manchmal genauer
  5. O.g. Angaben oft nicht in die Datenbank übertragen

 

Differenzierung zwischen Sammlungskontexten bzw. Konvoluten anhand der Angaben über den Erwerb/Sammler:in

  1. Europäische Händler:innen
  2. Europäische Sammler:innen
  3. Europäische Missionar:innen bzw. Missionshäuser
  4. Kolonialbeamte, Offiziere/Kolonialverwaltung
  5. Pflanzer:innen; Unternehmer:innen
  6. Koloniallobby im Rheinland
  7. Forschungsreisende, Künstler:innen, Journalist:innen
  8. Angehörige der o.g. Gruppen 
  9. Tausch mit bzw. Erwerb von anderen Museen bzw. Institutionen

 

BILD: © RJM

Kommentar posten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Kontakt

Yagmur Karakis

Heinrich-Heine-Universität
Abteilung für Globalgeschichte

yagmur.karakis(at)hhu.de