(provenance) research in progress

„PROVENIENZFORSCHUNG DIGITAL VERMITTELN“

Am 8. April 2021 fand der zweite digitale Workshop der Volontierenden im Bereich Provenienzforschung statt. Diesmal gab es diverse spannende Inputs zum Thema „Provenienzforschung digital vermitteln – Grenzen und Potenziale“.

Zuerst berichtete Rosa-Lena Bösl, selbstständige Provenienzforscherin in Kunstmuseen von den von ihr als erfolgreich bewerteten Strategien zur Vermittlung der Ergebnisse eines Provenienzforschungsprozesses. Sie erkannte am Anfang ihrer Arbeit die mangelnde Sichtbarkeit von Provenienzforschung und der allgemeinen Forschungsarbeit auf den Webseiten der Museen sowie das Potenzial für die Vermittlungs- und Ausstellungsarbeit, das hier ungenutzt bleibt. Sie fordert vor der Thematisierung von Provenienzforschung in der digitalen Vermittlung, zuerst eine Einbindung und Etablierung in die Dauerausstellung. So kann das bestehende Forschungsinteresse der Besucher:innen gestillt und gleichzeitig die Provenienzforschung als relevante Museumsdisziplin etabliert werden. Die Integration der Forschungsarbeit in die Ausstellung ist deshalb auch so wichtig, um den digitalen Vermittlungsraum langfristig nicht zu einer „digitalen Abstellkammer“ verkommen zu lassen. So soll hier anstatt einfach alles hinein zu kopieren vielmehr ein facettenreiches und ständig angepasstes Angebot entstehen.

Wolfgang Schöddert von der Berlinischen Galerie referierte über eine ebenfalls hybride Form der Vermittlung zwischen analog und digital. Er kuratierte als Provenienzforscher des Museums eine Ausstellung, die eine analoge Sonderausstellung mit digitalen Medienstationen vereint. Das Projektziel war es, die Relevanz, Geschichte und Bedeutung der Provenienzforschung für die Kunstwissenschaft herauszustellen und Besucher:innen für die Tätigkeit von Provenienzforschenden zu sensibilisieren. Das Museum wählte als Vermittlungsform in der Ausstellung verteilte Medienstationen mit Provenienzangaben zu in Galerie-Design angeordneten Gemälden und ausführlichere exemplarische Recherchebeispiele zu einem Objekt. Die bereitgestellten Ergebnisse können sowohl in der Ausstellung auf den Medienstationen als auch durch QR-Codes auf dem eigenen Smartphone oder zuhause genutzt werden.

Bezüglich der Vermittlung kolonialer Provenienzforschung informierte Markus Himmelsbach, Provenienzforscher im Linden-Museum Stuttgart, über eine virtuelle Ausstellungsergänzung. Die Sonderausstellung „Objekte und Sammler“ sollte eigentlich im Februar 2021 eröffnet werden. Da die Corona-Pandemie eine normale Eröffnung unmöglich machte, wurde die ursprünglich ausschließlich analog geplante Ausstellung in den digitalen Raum transferiert. Auf Grundlage der Exit-Games sollten die Provenienzen spielerisch vermitteln werden. Im digitalen Raum rückte man von dieser Idee etwas ab, realisierte jedoch trotzdem umfangreiche Vermittlungsebenen, die den Besuchenden selbstständig die Welt der Provenienzforschung näherbringt.

Mit „Art Hunters. Der verlorene Beckmann“ wagte das Team der Staatsgalerie Stuttgart rund um Provenienzforscherin Johanna Poltermann eine neue Vermittlungsstrategie. Hier wird das Thema der „Entarteten Kunst“ spielerisch durch eine VR-Anwendung vermittelt. Spielende können so selbstständig, aber geschützt durch die simulierte Situation, einen Provenienzforschungsfall von der Aufgabenstellung über die Recherche in Archiven bis hin zur Lösung des Falls durchexerzieren. Durch die Corona-Pandemie und der Schließung des Museums konnte das VR-Spiel noch nicht in der Ausstellung erprobt werden. Eine bereits online verfügbare Webversion des Spiels generierte jedoch bereits vermehrt positives Feedback.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die digitale und auch analoge Vermittlung von Provenienzforschung immer noch zu wenig in Ausstellungen oder digitalen Formaten von Museen eingebunden sind. Die gängigsten Orte der Vermittlung waren bisher Museumswebsites. Der Vorteil hier ist, die gute Sichtbarkeit für eine große Zielgruppe und die leichte Umsetzbarkeit für alle Museumsgrößen. Die Erweiterung dieses Angebots ist jedoch dringend ratsam. Zum einen wäre eine Vermittlung auf mehreren digitalen Ebenen sinnvoll, um möglichst viele Interessierte zu erreichen und neue Ansätze ausprobieren zu können. Zum anderen ist eine zusätzliche Integration der Provenienzforschung in analoge Dauer- und Sonderausstellungen notwendig, um dieses wichtige Feld der Museumsarbeit in den Köpfen der Besucher*innen zu etablieren und zusätzlich die Möglichkeit zum Dialog mit Objekten und Museumsmitarbeitenden bei der Behandlung dieser oft sensiblen Themen zu ermöglichen. Über analoge Schnittstellen lassen sich digitale Vermittlungsformate dieser oft abstrakten Forschungsarbeit besser kommunizieren.

 

 

BILD: Art Hunters: Der verlorene Beckmann – Provenienzforschung in VR 

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Kontakt

Yagmur Karakis

Heinrich-Heine-Universität
Abteilung für Globalgeschichte

yagmur.karakis(at)hhu.de